Familien mit Kindern sind in den Rückkehrzentren Aarwangen und Biel untergebracht. Beide Zentren sind heruntergekommen und haben eine veraltete Infrastruktur. Kinder leben teilweise seit Jahren auf engem Raum zusammen. Mehrere Jugendliche und deren jüngere Geschwister wohnen mit den Eltern im gleichen Zimmer, wo sie schlafen, essen, spielen und meist auch Hausaufgaben machen. In einem Fall besuchte die Kommission ein Elternpaar mit zwei Kindern, welche in einem Zimmer von 14m2 leben. Die strikte Regelung und Durchsetzung der täglichen Anwesenheitspflicht macht es für die Eltern, Kinder und Jugendliche äusserst schwierig, Kontakte zu Personen ausserhalb der Region der Zentren zu pflegen.
«Nach Beurteilung der Kommission sind diese Verhältnisse nicht mit der UNO- Kinderrechtskonvention vereinbar», sagt die Kommissionspräsidentin Regula Mader. Sie verletzen das Recht von Kindern auf angemessene Lebensbedingungen (Artikel 27) und das Recht auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemässe aktive Erholung (Artikel 31). Sie empfiehlt dem Kanton Bern, Kinder mit ihren Familien grundsätzlich in Wohnungen unterzubringen.
Aus den Gesprächen mit Frauen in den drei Rückkehrzentren ging hervor, dass sie sich in den Gemeinschaftsbereichen der Unterkunft, vor allem nachts, nicht sicher fühlen. Toiletten und Duschen sind nicht in allen Zentren klar nach Geschlechtern getrennt oder ungenügend geschützt. Die Kommission empfiehlt den Zentrumsleitungen, Frauen und Mädchen getrennt von alleinstehenden Männern unterzubringen. Zudem sollen alleinstehende Frauen mit Kindern separat von Familien mit männlichen Familienmitgliedern untergebracht werden. Schliesslich sollen alle Frauen und Mädchen auch nachts einen sicheren Zugang zu Toiletten haben, ohne sich vor Belästigungen fürchten zu müssen.
Die Kommission anerkennt die Herausforderungen und Schwierigkeiten für Behörden und Mitarbeitende in den Rückkehrzentren bei der Unterbringung von Menschen unter Nothilfe mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid. Sie begrüsst zudem die Bemühungen des Kantons Bern und der Betreuungsorganisation, die Wohnsituation der Bewohnenden in den Rückkehrzentren bereits während der Kontrollbesuche im Sommer 2021 mit verschiedenen Massnahmen verbessert zu haben. Die Kommission dankt der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern für diesen Auftrag.
Zwischen Mai und August 2021 besuchte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) auf Anfrage der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern die drei ständigen Rückkehrzentren in Aarwangen, Biel und Gampelen. Die Kommission überprüfte die Lebensbedingungen der Menschen in den drei Unterkünften. Einen Fokus legte die Kommission auf die Lebensumstände von Kindern und deren Familien. Sie führte Gespräche mit Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern, die in den Rückkehrzentren leben, mit Mitarbeitenden, die in den Unterkünften arbeiten sowie mit Behörden, Freiwilligen und Expert*innen und sie analysierte zahlreiche Dokumente und Statistiken. Zur Beurteilung der daraus gewonnenen Erkenntnisse stützte sich die Kommission auf Menschen- und Grundrechte.
Gestützt auf das Bundesgesetz zur Kommission und das Fakultativprotokoll der UN-Konvention gegen Folter, überprüft die NKVF regelmässig die Situation von Personen, denen die Freiheit entzogen ist oder von Menschen, die in einer öffentlichen oder privaten Einrichtung untergebracht sind, die sie nicht nach Belieben verlassen dürfen, sofern dies auf Anordnung oder Veranlassung einer Behörde oder im Einverständnis mit einer Behörde geschieht (Artikel 3 Bundesgesetz NKVF und Artikel 4 UN- Fakultativprotokoll).
Medienkontakt:
Livia Hadorn
Geschäftsführerin NKVF
+41 58 465 16 20
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) ist eine behördenunabhängige nationale Kommission mit gesetzlichem Auftrag, welche im Rahmen von regelmässigen Kontrollbesuchen die Menschen- und Grundrechtskonformität freiheitsbeschränkender Massnahmen in Einrichtungen des Freiheitsentzugs überprüft und sicherstellt, dass die Grundrechte der betroffenen Personen gewahrt werden.
Im kontinuierlichen Dialog mit den Behörden und relevanten Ansprechpartnern erarbeitet die NKVF konkrete Empfehlungen und leistet schweizweit einen Beitrag zur frühzeitigen Erkennung von potenziellen Grundrechtsverletzungen von Personen im Freiheitsentzug.
Nationale Kommission zur Verhütung von Folter NKVF (Firmenporträt) | |
Artikel 'NKVF: Kommission besorgt über Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in ...' auf Swiss-Press.com |
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